📕 "Psychiatrie ist die Lehre von den psychischen Krankheiten und deren Behandlung. Ihren Ausgangspunkt und ihre Grundlage bildet die wissenschaftliche Erkenntnis des Wesens der Geistesstörungen. In der Lösung dieser Aufgabe waren schon die Ärzte des Altertums so weit vorgeschritten, dass sie das Irresein mit gewissen körperlichen Störungen in Verbindung brachten, namentlich mit dem Fieber und mit Veränderungen der Körpersäfte. Leider gingen diese bereits zu Lehrgebäuden entwickelten Anschauungen mit dem Zusammenbruch der alten Kultur fast völlig wieder verloren. Dafür drangen im Mittelalter einerseits scholastisch-philosophische, andererseits religiös-abergläubische Vorstellungen in die Auffassung des Irreseins ein und verdrängten rasch die vorhandenen Ansätze eines naturwissenschaftlichen Verständnisses. Die Geistesstörung war nicht mehr Krankheit, sondern Werk des Teufels, Strafe des Himmels, bisweilen auch göttliche Verzückung. Nicht der Arzt beschäftigte sich mehr mit der Erforschung und Behandlung des Seelengestörten, sondern der Priester suchte ihm die bösen Geister zu vertreiben; das Volk betete ihn als Heiligen an, und die Hexenrichter ließen ihn in der Folterkammer wie auf dem Scheiterhaufen für seine vermeintlichen, wahnhaften Sünden büßen.Mit der Wiedererneuerung der Wissenschaften und insbesondere mit dem Aufschwung der Medizin begann allmählich auch das Interesse der Ärzte sich wieder den Geisteskranken zuzuwenden."Der Verlag der Wissenschaften verlegt hist...