📓 In allen Literaturen kehrt die Frage wieder: Wie weit darf die Bewegungsfreiheit des einzelnen, die Unternehmungslust, die Selbständigkeit, die persönliche Verantwortung, wie weit darf und muß diese heilige Macht eingeengt werden durch die sorgende Rücksicht auf die GesamtheiM Der Philosoph, der Politiker, der Geistliche, der Techniker, sie alle denken und reden über diese Frage, niemand aber hat mit Sicherheit die Grenze bezeichnet, vor der die Politik der Gemeinschaft halt machen sollte, und niemand wird dazu je imstande sein, weil jede Zeit ihre eigenen Forderungen stellt. Denn die Geschichte zeigt uns ein wechselndes Spiel zwischen der Einzelpersönlichkeit und der organisierten Gesamtheit: die Persönlichkeit im Kampfe gegen den Stadtstaat, die Persönlich keit und die Zunft, die Persönlichkeit und der Stand, die Persön lichkeit und die soziale Gemeinschaft. Wir wissen, daß dieses Ringen zwischen dem persönlichen und dem sozialen Ideal eine Triebkraft in der Weltgeschichte ist, vielleicht die stärkste Triebkraft. Wir kennen die segensreiche Wirkung der entstehenden und emporblühenden Zünfte, diese eherne Zusammenfassung, von der heute noch die alte Pracht deutscher Städte spricht. Wir wissen aber auch, daß später, als es galt, eine neue Technik zu schaffen, große Persönlichkeiten die Fesseln des Zunftwesens sprengten, und daß die Länder am schnellsten vorwärts kamen, in denen der einzelne am selbstän digsten und kühnsten neue Wege ging.