📗 § 1. Die Abgrenzung und Aufgabe der allgemeinen Psychopa,thologie. Im praktischen psychiatrischen Berufe handelt es sich immer um einzelne ganze Menschen; sei es, da? diese dem Psychiater zur Obhut, zur Pflege oder zur Heilung anvertraut werden, sei es, da? er vor Gericht, vor anderen Behorden, vor der Geschichtswissenschaft uber eine Personlichkeit ein Gutachten abgibt, sei es, da? ihn Kranke in der Sprechstunde um Rat fragen. Wahrend seine Arbeit es hier ganz mit einem individuellen Fall zu tun hat, sucht der Psychiater, um den in solchen Einzelfallen an ihn herantretenden Forderungen gewachsen zu sein, als Psychopathologe nach allge meinen Begriffen und Regeln. Ist der Psychiater im praktischen Berufe eine lebendige, erfassende und wirkende Personlichkeit, der die Wissenschaft nur eines ihrer Hilfsmittel ist, so ist dagegen dem Psychopathologen diese Wissen schaft selbst Zweck. Er will nur kennen und erkennen, charakterisieren und analysicren, aber nicht einzelne Menschen, sondern das All gemeine, seien es Qualitaten, wie Empfindung, Wahrnehmung, Vorstellung, Gefuhl, seien es Zusammenhange, wie Wahnvorgange, Re aktionen, Erlebnisse, seien es typische Ganzheiten, wie Personlichkeits arten. Er fragt nicht mehr nach der Brauchbarkeit seiner Wissen schaft als Hilf s mi t tel - diese wird sich bei Fortschreiten der Ergeb nisse von selbst einstellen und ist nicht mehr seine Sache -, sondern blo? nach ErkeIll1barkeiten, nach Wahrheiten, nach verbindlich Be weisbarem oder nach deutlich Aufzeigbarem.