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Als "Der Steppenwolf" vor siebzig Jahren erschien, wurde er von vielen angegriffen, von anderen begeistert aufgenommen. Vierzig Jahre sp?ter, in den bewegten sechziger Jahren, wurde er zum Kultbuch einer Generation. Und auch heute, auf der Schwelle zum neuen Jahrtausend, begeistert er junge Leser, die in Harry Haller den Seelenverwandten erkennen.
Harry Haller, der "Steppenwolf", leidet an seiner Zerissenheit, empfindet halb als Mensch, halb als Wolf. Er sehnt sich nach Zugehorigkeit, nach Harmonie und Liebe, will aber auch unabh?ngig und frei sein und verabscheut alles Normale. Dieser Zwiespalt fuhrt ihn immer tiefer in eine existenzielle Krise, in der er Selbstmord als einzigen Ausweg sieht. Doch Hermine, eine Prostituierte, und das Magische Theater helfen ihm, sich selbst zu erkennen und das Leben leichter zu nehmen.
"Der Steppenwolf" ist so vielschichtig, dass man immer wieder neue Aspekte entdecken kann. Als ich ihn vor zwanzig Jahren kennenlernte, stand fur mich die Einsamkeit und die Ablehnung der verlogenen Burgerlichkeit im Vordergrund. Das Lebensgefuhl des Unverstandenen, der seine Ideale lebt, war mir vertraut. Dem seichten Alltag die extremen Gefuhle vorzuziehen, schien auch mir erstrebenswert. Nicht lauwarm, sondern heiss und kalt. Damit spricht Hesse noch immer die Jugend an.
Heute lese und verstehe ich ihn anders. Der Mensch, der sich das Leben so schwer macht, tut mir leid, weil er nicht merkt, dass er ebenso borniert ist wie die, von denen er sich unterscheiden will. Er nimmt sich selbst zu ernst, rennt Idealen von Schonheit und Menschlichkeit hinterher und verachtet dabei die Menschen. Erst im Magischen Theater werden ihm die Augen geoffnet.